Die monatliche GNU-Kolumne

Brave GNU World

von Georg C. F. Greve


Diese Kolumne berichtet aus der Perspektive von GNU-Projekt und FSF über Projekte und aktuelle Geschehnisse aus dem Umfeld Freier Software und versucht, Einblicke in die zugrundeliegende Philosophie zu vermitteln. In dieser Ausgabe: MisterHouse, Loading Linux, ClusterSSH, Indigene Völker und "geistiges Eigentum".

Willkommen zu einer neuen Ausgabe der Brave GNU World. Diesen Monat wieder mit etwas mehr Projekten und etwas weniger Politik und Philosophie, obwohl auch letztere nicht zu kurz kommen sollen. Doch dazu mehr gegen Ende der Ausgabe.

"Ambient Computing"

Das Thema "Ambient Computing" nimmt seid einigen Jahren eine zentrale Stellung in den Zukunftsperspektiven der IT-Fortentwicklung ein. Der Begriff bezeichnet die Verzahnung verschiedenster Medien und Gerätschaften zu einer den Nutzer intelligent und unterstützend umgebenden Sphäre.

Die Protagonisten dieses Ansatzes erträumen sich, nach Hause kommend den Text, der eben noch auf dem Laptop bearbeitet wurde, fließend auf dem großen Schirm im Wohnzimmer weiterbearbeiten zu können. Sollte das IP-Bildtelefon klingeln, so wird der Text verkleinert und das Gespräch in den Vordergrund gerückt, um nach Beendigung des Gesprächs ebenso magisch wieder zu verschwinden.

Wie beispielsweise von Prof. Weizenbaum, Autor des Eliza-Programms und weltweit hoch respektierter Kritiker des unreflektierten Computereinsatzes, [5] seit Jahren vorhergesagt, macht dabei gerade ihre Omnipräsenz die Informationstechnologie unsichtbar. Sie so unsichtbar und allumgebend wie die Atemluft zu machen ist in der Tat Ziel der Befürworter von Ambient Computing, weshalb ein Projekt des MIT zu diesem Thema beispielsweise den bezeichnenden Namen "Oxygen" trägt. [6]

MisterHouse

Das "Home Automation" Projekt MisterHouse [7] von Bruce Winter implementiert dies als Freie Software unter der GNU General Public License (GPL) in Form eines "intelligenten Hauses."

Bruce wohnt mit seiner Familie in einem "passive solar, earth bermed house." Die sogenannten "earth bermed houses" sind ein Design, welches in den späten 70er und frühen 80er Jahren aufkam. Diese Häuser gehören zur Kategorie der unterirdischen Häuser, sind aber im Gegensatz zu den "chambered" Häusern nicht vollständig unterirdisch. Vielmehr sind die Seitenwände von einer künstlichen Böschung, einer Berme umgeben.

Ein Vorteil dieser Häuser liegt in der wärmespeichernden Eigenschaft der Erde, die das Haus im Sommer ohne großen Energieaufwand angenehm kühl hält. Im Winter hingegen verhindert die Erde ein Abkühlen auf allzu tiefe Temperaturen, auch wenn es ohne aktives Heizen etwas kühl werden kann.

Die ursprüngliche Motivation für die Arbeit an MisterHouse war, daß Bruce die Vorhänge an den Fenstern automatisch steuern wollte. Die erste Version wurde 1998 veröffentlicht und um MisterHouse hat sich seitdem eine aktive Entwickler- und Nutzergemeinschaft gefunden. So sind auf der Mailingliste über 600 Leute mehr oder weniger aktiv und etwa 250 Leute haben Quellcode und Bugfixes beigesteuert. So kommt es auch, daß seit dem ursprünglichen Erscheinen über 80 neue Versionen erschienen sind und etwa einmal pro Monat ein Update herausgebracht wird.

Das Design von MisterHouse ist dabei modular -- es können nahezu beliebig Eingabe- und Ausgabemodule angeschlossen werden. Auf der Eingabeseite ist es Eventorientiert, wobei Events durch Uhrzeit, Daten in Files sowie Sockets, serielle Schnittstellen oder auch Stimmerkennungssoftware generiert werden können. Die Ausgabeseite erlaubt Ausgabe in Files und Sockets, das Ansteuern von seriellen Schnittstellen und "Text to Speech" (TTS) Ausgabe.

Das Anwendungsgebiet reicht daher von der Implementation von Sicherheitssystemen über Klimakontrolle (Heizung, Lüftung, Kühlung) bis hin zur Ankündigung von eingehender Email oder Anrufen. Natürlich erlaubt es auch eher humorvolle Anwendungen wie lustige Ankündigungen oder Spukhäuser.

Die modulare Flexibilität auf der einen Seite und die Notwendigkeit von entsprechenden Hardware-Gegenstücken auf der anderen Seite machen es momentan nicht besonders leicht, unmittelbar zu einer schlüsselfertigen Lösung zu kommen, das Projekt wird also eher für technisch versierte Leserinnen unmittelbar nützlich sein.

Dabei demonstriert die Familie Winter mit ihrem eigenen Haus, was alles machbar ist. So steuert MisterHouse bei Ihnen die Lichter, Heizung, Lüftung und Vorhänge. Es überwacht per Kamera die Einfahrt, warnt, wenn die Haustür abends noch offen steht, sorgt für den aktuellen Wetterbericht und Warnung vor Erdbeben und stellt auch stellt Musik, Mail, News, aktelle Comics und Fernsehprogramm mit Verbindung zum Videorekorder zur Verfügung.

Obendrein wird die Familie mit aus dem Internet bezogenen lustigen Bonmots unterhalten und es läßt sich per Automatic Position Reporting System (APRS) der Standord der Familienfahrzeuge ermitteln, bzw. verfolgen. Diese Dinge sind natürlich per Computer, Tablet PC und X10 Fernsteuerung im Haus verfügbar, können aber auch per Internet [8] verfolgt und -- das richtige Passwort vorausgesetzt -- gesteuert werden.

Dies ruft sicherlich bei vielen Lesern widersprüchliche Gefühle hervor. Viele Tüftler und Geeks sind sicherlich erstmal begeistert und entwickeln eigene Vorstellungen von ähnlichen Projekten. Einige dürften sich jedoch fragen, wie Bruce es geschafft hat, eine Frau zu finden, die bereit ist, ein solches Projekt mitzutragen. Wie ein deutscher Journalist neulich zu bedenken gab, ist es zu häufig der zu niedrige WAF (Women Acceptance Factor), der solchen Projekten schnell den Garaus macht.

Hinzu kommt, daß bei einer Entwicklungsversion immer zu befürchten ist, daß nicht alle Dinge immer reibungslos laufen -- wie auch die Familienhomepage mit dem Link auf "Our (sometimes not-so) 'smart' house" andeutet.

Anderen dürfte eher der recht sorglose Umgang mit personenbezogenen Daten und Privatsphäre zu denken geben -- wobei dies in den USA generell weniger thematisiert zu werden scheint. So hatte ja auch der Autor der APRS Infoseite kein Problem damit, sein Bewegungsprofil der letzten 1000 Stunden als Grafik ins Netz zu stellen.

Da MisterHouse sowohl auf GNU/Linux, wie auch Microsoft Windows läuft, dürften sicherheitsbewußte Leserinnen sich fragen, warum der ans Internet angeschlossene Server ausgerechnet auf Microsoft Windows zu laufen scheint, was Spaßvögel zu recht unangenehmen und im wahrsten Sinne des Wortes schlafraubenden Spielchen animieren könnte.

Da der Autor dieser Kolumne dank seiner Tätigkeit und der damit verbundenen Öffentlichkeit über das Internet bereits eine relativ gläserne Person ist, muß ich sagen mir ginge eine solche Öffentlichkeit wohl etwas zu weit, auch wenn die Implementation eines solchen Hauses sicherlich den Tüftler reizt.

Doch da MisterHouse als Freie Software auf einer Freien Software Plattform lauffähig ist, kann jeder Nutzer selbst entscheiden, ob und wie weit die Privatsphäre in dieser Hinsicht aufgegeben wird.

Bei dem Gedanken an proprietäre Plattformen jedoch können da schon größere Bedenken aufkommen, speziell wenn die Untersuchung der Vorgänge innerhalb dieser Plattformen per Digital Millennium Copyright Act (DMCA) oder European Copyright Directive (EUCD) unter Strafe steht und zudem bald per "Trusted Computing" (TC, eigentlich "Treacherous Computing") auch technisch unmöglich gemacht werden soll.

In diesem Fall haben Anwender keine Kontrolle mehr über die Preisgabe ihrer Privatheit und auch keine Informationen darüber, wie weit und wem gegenüber diese preisgegeben wird. Da zunehmend Kameras unsere öffentlichen Räume durchdringen und die Teilhabe an der Gesellschaft unter Verzicht auf digitale Technologien immer weniger möglich ist, bietet die Generalverweigerung gegenüber derartigen Entwicklungen leider keinen Ausweg.

Insofern erlaubt MisterHouse als Freie Software jedem Menschen, selber die volle Kontrolle über den hochsensiblen Bereich der eigenen vier Wände zu übernehmen -- was es neben dem technisch-spielerischen Reiz ungeachtet aller Bedenken zu einem positiven Projekt macht.

Auf technischer Seite wurde MisterHouse in Perl implementiert, wobei viele Erweiterungen in den Perl CPAN Archiven und direkt von anderen MisterHouse Nutzern zur Verfügung stehen. Außerdem ist für eine vollständig freie Lösung teilweise notwendig, etwas mehr Arbeit an den Stellen aufzuwenden, die Bruce selber mit proprietären Modulen betreibt.

Die Eventsprache zur Progammierung der Hauslogik ist dabei eine Erweiterung von Perl. Neben einem Rechner mit 10-40MB freiem Speicher ist wohl auch Wissen um Perl notwendig, um mit der Automatisierung der eigenen vier Wände loslegen zu können.

Loading Linux

Auch unter der GNU/Linux Distributionen gibt es ja mittlerweile eine große Vielfalt und Auswahl -- von den je nach Geschmack und Bedarf installierten "Allzweckdistributionen" für jeden Zweck bis hin zu den von CD lauffähigen Distributionen für verschiedenste Einsatzgebiete.

"Loading Linux" [9] ist eine GNU/Linux Distribution für den Client/Server orientierten Betrieb kleiner Netzwerke ohne lokalen Administrator.

Es gibt einige GNU/Linux Distributionen, die es erlauben, zwischen Client und Server Installation auszuwählen, allerdings geht Loading Linux noch einen Schritt weiter. Clients und Server werden so vorinstalliert, daß sie ohne Konfigurationsaufwand miteinander funktionieren. Es ist also auch ohne Wissen um Netzwerk- und Systemadministration möglich, die Distribution einzusetzen.

Diese Komplexität ist zwar über einen "Experten Modus" noch immer verfügbar, wird den Nutzern aber erspart, sofern sie nicht ausdrücklich darum bitten. Tatsächlich scheint es, daß beispielsweise ein Lehrer in einer Schule für die tägliche Arbeit lediglich wissen muß, daß die Files auf dem Server liegen und auf jedem Client im "home" Verzeichnis verfügbar sind. Wie der NFS Server genau konfiguriert wird, ist im Alltag eher sekundär, es interessieren nur die funktionalen Aspekte.

Die Idee zu diesem Projekt hatte Thierry Wonner, der es gegen Ende 2002 einigen anderen Studenten der EPITECH [10], einer Informatik-Hochschule im Süden von Paris, vorstellte. Als sich daraufhin Nicolas Fortier, Nicolas Perez, Sylvie Truong und Francois-Philippe Il Grande, der im Übrigen auch die Brave GNU World Fragen beantwortete, dem Projekt anschlossen, begann 2003 die eigentliche Arbeit und gegen Ende 2003 war die erste Release in Form einer bootfähigen CDROM fertig.

Die Distribution baut dabei auf Standard-Komponenten auf: Shell-Skripting für die Installationsroutinen der CD, PHP für die Webadministrations-Werkzeuge, PERL, C und "Spurenelemente" in anderen Sprachen. NIS, NFS und SAMBA, sind miteinander funktional vorkonfiguriert ebenso enthalten wie OpenOffice.org, Filemanager und andere vorinstallierte und vorkonfigurierte Komponenten. Als Paketmanager baut die Distribution auf RPM auf, da es ein weit verbreitetes Paketsystem mit vielen verfügbaren Paketen ist.

Viel Wert legen die Beteiligten auch auf die Unabhängigkeit und Kontinuität des Projekts. So ist für sie die Tatsache, daß es sich um ein nichtkommerzielles Hochschulprojekt handelt, ebenso ein Garant für die Freiheit wie die Verwendung der GNU General Public License (GPL) für die Distribution, die also selber als Freie Software verfügbar ist.

Um sicherzustellen, daß das Projekt auch nach Studienabschluß, bzw. während Praktika weitergeführt wird, suchen sie im Moment gezielt nach Zuwachs für ihr Team sowohl unter den jüngeren Studenten, wie auch von außerhalb ihrer Schule.

Pläne für die weitere Entwicklung des Projekts gibt es dabei genug. So würde es die Hemmschwelle weiter reduzieren, die einfachen ASCII-Fenster durch eine grafische Installationsroutine zu ersetzen. Doch auch das Web-Administrationstool bedarf noch weiterer Arbeit und auch an der grafischen Installation zusätzlicher Pakete wird im Moment von einer Gruppe von Studenten gearbeitet.

Doch auch durch den echten Einsatz und das zurückliefern von Feedback können solche Projekte erfahrungsgemäß sehr profitieren. Daher sollte bei Interesse ruhig einmal ein Versuch gewagt werden.

ClusterSSH

Ist nun das Netzwerk installiert und sollen gewisse Dinge von Hand verbessert werden, so ist es oft notwendig, diese auf allen Clients durchzuführen. Um dabei nicht in Monotonie zu versinken, gibt es Werkzeuge wie ClusterSSH [11] von Duncan Ferguson, mit dem SSH-Konsolen "gebündelt" werden können.

Dabei werden beliebig viele Rechner zu einem Gruppe, einem Cluster, zusammengefasst und der Administrator kann über ein Terminalfenster an seinem Arbeitsplatz die Arbeitsschritte auf allen diesen Rechnern parallel durchführen. Über einzeln (de)aktivierbare Terminalfenster werden die Eingaben dabei per SSH simultan auf alle aktiven Rechner des Clusters übertragen.

Ein vergleichbares, unfreies Werkzeug mit ähnlicher Funktionalität ist beispielsweise SUNWcluster von SUN, wobei dieses auf Klartext ohne SSH setzt und SUN nach Informationen von Duncan auch keine Absichten hat, dies zu ändern. Da ihr Sicherheitsmodel damit jedoch nicht kompatibel war, schrieb Duncan ClusterSSH, um die Aufgabe zu übernehmen.

Das Projekt läuft nachweislich auf SUN Solaris (x86 und Sparc), sowie RedHat und Debian GNU/Linux. Zu seinen Plänen zählt, dafür Sorge zu tragen, daß in Zukunft auch noch mehr Plattformen unterstützt werden. Gerade dabei bittet Duncan jedoch um Hilfe, da er selbst nur auf die bereits erwähnten Plattformen Zugriff hat.

Geschrieben wurde ClusterSSH in Perl und Tk, herausgegeben wird es als Freie Software unter der GNU General Public License (GPL). Daher dürfte es für Administratoren -- die klassische Zielgruppe dieses Projekts recht problemlos einzusetzen sein.

Indigene Völker und "geistiges Eigentum"

Wie in den vergangenen Ausgaben beschrieben, wurden während des UNO Weltgipfels zur Informationsgesellschaft [12] vielfältige Diskussionen geführt, oft auch mit Menschen, denen man sonst nicht so häufig begegnet. So auch mit Vertretern und Fürsprechern der indigenen Völker.

Als indigene Völker gelten nach der Definition der UNESCO [13] solche Gemeinschaften, die in Kontinuität zu den vor-kolonialen und vor-invasorischen Ureinwohnern einer Region stehen und sich insbesondere selbst als unterschiedlich zu den in diesen Regionen vorherrschenden Gesellschaften sehen.

Da indigene Völker nicht-dominante Bereiche der Gesellschaft darstellen und zumeist über sehr wenig formalen politischen Einfluß sowohl auf lokaler, wie auch globaler Ebene verfügen, gehören sie oft zu denjenigen, die sich am Wenigsten gegen die Begleitphänomene der von großen Konzernen vorangetriebenen Globalisierung wehren können.

Insbesondere auf dem Bereich der sogenannten Biopatente haben einige Pharmafirmen zum Sturm auf die traditionellen Arzneien geblasen, um diese im großen Stil global zu vermarkten. Der dabei ablaufende Prozess versucht dabei oft sowohl über die globale Marktmacht, wie auch juristische Auseinandersetzungen, denen indigene Völker oft nur wenig entgegenzusetzen haben, ihnen die Nutzung ihrer traditionellen Resourcen unmöglich zu machen.

Bekanntes Beispiel verwandter Vorgänge ist das "Basmati Patent" der U.S. Firma RiceTec, der im September 1997 ein Patent auf Basmati Reis zugesprochen wurde. Bei der sich anschließenden juristischen Auseinandersetzung ging es letztlich darum, wer das Recht haben solle, den traditionellen indischen Basmati-Reis anzubauen. Auch wenn die Auseinandersetzung in dieser Frage am Ende eher zugunsten Indiens ausging, zeigt dies doch die Mechanismen. Und in wieweit der Einfluß eines kleinen indigenen Volks ähnlich groß dem von Indien ist, sei dahingestellt.

Dieses Phänomen wird oft als "Biopiraterie" bezeichnet, obwohl beispielsweise Richard Stallman in einem seiner Artikel sehr gut darlegt, warum "Bioprivatisierung" ein passenderer Begriff wäre. [14]

Tatsächlich ist es so, daß diese Vorgänge -- unabhängig von ihrer Bezeichnung -- große Probleme hervorrufen. Die Frage ist allerdings, worin sich das Problem begründet. Die Forderung der indigenen Völker und ihrer Fürsprecher in diesem Zusammenhang ist normalerweise, die "vollständige Kontrolle" und den "vollständigen Besitz" aller ihrer "kulturellen, intellektuellen und sogenannten natürlichen Resourcen" zugesprochen zu bekommen.

Diese Forderung klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar, einleuchtend und gerecht. Tatsächlich steht aus mehreren Gründen zu befürchten, daß ihre Erfüllung das Problem weiter verschärft.

Zunächst einmal sind die meisten Formen von begrenzten geistigen Monopolen (siehe Ausgabe #56 [15]), wie z.B. Patente und Copyrights, stark auf eine einzelne Person als "Besitzer" ausgerichtet. Es wird also eine neue Art von "völkischem geistigen Eigentum" gefordert, bei dem ein Volk das alleinige Recht auf bestimmte kulturelle und intellektuelle Vorgänge hat.

Nimmt man diese Forderung und wendet auf sie den Gleichheitsgrundsatz der Menschenrechtserklärung an, so ergibt sich -- überspitzt gesagt -- daß nur Bayern Bier brauen, nur Finnen Saunen bauen und nur Sizilianer Pizza backen dürfen. Unabhängig davon, daß dies die moralische Legitimation dafür schafft, Anderen das akkumulierte Wissen der nördlichen Länder vorzuenthalten, darf bezweifelt werden ob eine derartige gesellschaftliche Monopolisierung im Sinne irgendeiner Gesellschaft wäre.

Dabei manifestiert sich das Problem immer dann, wenn juristische Vorstöße gemacht werden, die versuchen, den indigenen Völkern die Nutzung traditioneller Resourcen zu untersagen. So lange sie ihre Resourcen auf die althergebrachte Weise verwenden können, geht ihnen weder etwas verloren, noch haben sie etwas hinzugewonnen.

Es ist also ein Problem, dessen Ursache die übertriebene Monopolisierung und deren Durchsetzung ist. Die oben angesprochene Forderung läuft dabei darauf hinaus, zu versuchen, ein durch übertriebene Monopolisierung geschaffenes Problem durch mehr Monopolisierung zu lösen.

Dabei werden die kulturellen Wurzeln zu einem Handelsgut, welches zuerst aufgrund seines wirtschaftlichen Wertes geschätzt wird und für das der Profit maximiert werden sollte. Der kulturelle Wert tritt hinter den monetären zurück, eine Denkweise, die kommenden Generationen mit auf den Weg gegeben wird.

Dabei ist der Handel mit dieser "Ware" zumeist die einzige Möglichkeit, überhaupt an Nahrung, Wasser, Bildung und medizinische Versorgung zu kommen. Die Möglichkeit, faire Konditionen in einem Vertrag zu erhalten, hängt aber ganz wesentlich von der Freiheit ab, einen Vertrag nicht schließen zu müssen. Es steht also zu befürchten, daß die indigenen Völker zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben handeln müssen.

Leider fehlt hier der Platz, diese Frage noch detaillierter zu bearbeiten. Doch habe ich mich bemüht, diese Fragen als Diskussionsbeitrag etwas sorgfältiger auszuformulieren -- bei Interesse findet sich der Artikel auf der FSF Europe Homepage. [16]

Das wars mal wieder

So, damit genug der Brave GNU World für diesen Monat, wie üblich soll die Ausgabe jedoch nicht enden, ohne vorher eindringlich um Fragen, Anregungen, Kommentare und Projektvorstellungen per Email an die übliche Adresse [1] zu bitten. Bis zum nächsten Mal.

Infos

[1] Ideen, Anregungen, Kommentare an die Brave GNU World: column@brave-gnu-world.org
[2] Homepage des GNU-Projektes: http://www.gnu.org/
[3] Homepage von Georg's Brave GNU World: http://brave-gnu-world.org
[4] "We run GNU" Initiative: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/rungnu/rungnu.de.html
[5] MIT LCS pages: Prof. Weizenbaum http://www.lcs.mit.edu/people/bioprint.php3?PeopleID=480
[6] Projekt "Oxygen" Homepage: http://oxygen.lcs.mit.edu/Overview.html
[7] MisterHouse Homepage: http://misterhouse.net
[8] Das Haus der Familie Winter: http://misterhouse.net:8080
[9] "Loading Linux" Homepage: http://loading-linux.sf.net
[10] EPITECH Homepage: http://www.epitech.net
[11] ClusterSSH Homepage: http://clusterssh.sourceforge.net
[12] FSF Europe WSIS Seiten: http://www.germany.fsfeurope.org/projects/wsis/
[13] UNESCO: Indigenous Peoples: http://portal.unesco.org/culture/admin/ev.php?URL_ID=2946&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201
[14] Richard Stallman: "Biopiracy or Bioprivateering?" http://www.stallman.org/articles/biopiracy.html
[15] Brave GNU World, Ausgabe #56: http://brave-gnu-world.org/issue-56.de.html
[16] Georg Greve: "On 'Intellectual Property' and Indigenous Peoples" http://www.germany.fsfeurope.org/documents/iprip.html

Der Autor

[Ein Foto von Georg Greve] Dipl.-Phys. Georg C. F. Greve beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit Freier Software und kam früh zu GNU/Linux. Nach Mitarbeit im GNU-Projekt und seiner Aktivität als dessen europäischer Sprecher hat er die Free Software Foundation Europe initiiert, deren Präsident er ist. Mehr Informationen finden sich unter http://gnuhh.org.

Copyright (C) 2004 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin

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