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Ausnahmen zur GNU GPL verkaufen

von Richard Stallman

Der Verkauf von Ausnahmen bedeutet, dass der Urheberrechtsinhaber des Quellcodes diesen unter einer freien Softwarelizenz der Öffentlichkeit freigibt und dann seinen Kunden gegen Bezahlung die Erlaubnis erteilt, den gleichen Quellcode unter anderen Bedingungen zu nutzen, beispielsweise was die Einbindung in proprietäre Anwendungen betrifft.

Wir müssen die Praxis, Ausnahmen zu verkaufen, von etwas ausschlaggebend anderem unterscheiden: rein proprietäre Erweiterungen oder Verianten eines freien Programms. Diese beiden Aktivitäten, selbst wenn gleichzeitig von einem Unternehmen praktiziert, sind unterschiedliche Dinge. Vom Verkauf der Ausnahmen abgesehen ist es derselbe Quellcode, für den diese Ausnahme zutrifft, als Freie Software für die Öffentlichkeit verfügbar. Eine Erweiterung oder eine modifizierte Version, die nur unter einer proprietären Lizenz verfügbar ist, ist schlicht und einfach proprietäre Software und ebenso falsch wie jede andere proprietäre Software. Dieser Artikel befasst sich mit Fällen, die einzig und allein den Verkauf von Ausnahmen mit sich bringen.

Wir müssen den Verkauf von Ausnahmen auch von Doppellizenzierung unterscheiden, was die Freigabe des Programms unter einer Auswahl an Lizenzen bedeutet. Mit Doppellizenzierung kann jeder Nutzer das Programm unter entweder eine der Lizenzen oder unter beiden parallel für Aktivitäten verwenden, die auf beide zutreffen (so distribuieren Weiterverteiler normalerweise beide Lizenzen). Perl beispielsweise, wurde viele Jahre lang unter Doppellizenz distribuiert, deren Alternativen die GNU GPL und die Artistic License waren. Nun ist das nicht mehr notwendig, da Version 2 der Artistic License mit der GNU GPL vereinbar ist.

Beim Verkauf von Ausnahmen sind die Bedingungen der Ausnahme keine zweite Lizenz, unter der das Programm freigegeben wird. Vielmehr sind sie nur für jene Nutzer verfügbar, die eine Ausnahme kauften. Die einzige Lizenz, die die Freigabe mit sich bringt, ist die GNU GPL, somit ist dies keine Doppellizenzierung.

Wir müssen den Verkauf von Ausnahmen von der üblichen „Ausnahme zur GPL“ unterscheiden, welche einfach allen Nutzern die Berechtigung erteilt, die Bedingungen der GPL auf eine bestimmte Weise zu übertreffen. Diese Ausnahmen werden durch § 7 GNU GPL geregelt. Der Verkauf von Ausnahmen hat rechtlich nichts mit der GNU GPL zu tun. Um Verwirrung zu vermeiden, ist es am besten sich nicht auf Ausnahmen zu beziehen, die als „Ausnahmen zur GPL“ verkauft werden.

Ich betrachte den Verkauf von Ausnahmen seit den 1990ern als akzeptabel und habe es gelegentlich Unternehmen vorgeschlagen. Manchmal machte dieser Ansatz möglich, dass wichtige Programme Freie Software wurden.

Die KDE-Arbeitsoberfläche wurde in den 90ern basierend auf der Qt-Bibliothek entwickelt. Qt war proprietäre Software und TrollTech berechnete eine Gebühr für die Erlaubnis, sie in proprietäre Anwendungen einzubinden. TrollTech ermöglichte die unentgeltliche Nutzung von Qt in freien Anwendungen, aber dies machte es nicht zu Freie Software. Völlig freie Betriebssysteme konnten Qt deshalb nicht enthalten und KDE somit nicht nutzen.

Im Jahr 1998 erkannte das Management von Trolltech, dass sie Qt zu Freie Software und weiterhin Gebühren für die Erlaubnis, es in proprietäre Software einzubinden, berechnen können. Ich erinnere mich nicht mehr, ob der Vorschlag von mir kam, aber ich war sicherglücklich über die Änderung, die es ermöglichte, Qt und folglich KDE in der freien Softwarewelt zu nutzen.

Anfangs nutzten sie ihre eigene Lizenz, die Q Public License (QPL) ‑ für eine freie Softwarelizenz sehr restriktiv und mit der GNU GPL unvereinbar. Später wechselten sie zur GNU GPL; ich glaube, ich hatte ihnen erklärt, dass es fürden Zweck funktionieren würde.

Der Verkauf von Ausnahmen hängt grundsätzlich von einer Lizenz mit Copyleft, wie der GNU GPL für Freie-Software-Freigaben, ab. Eine Lizenz mit Copyleft erlaubt die Einbindung in einem größeren Programm nur, wenn das gesamte kombinierte Programm unter dieser Lizenz freigegeben wird; so ist sichergestellt, dass erweiterte Versionen ebenfalls frei sind. Somit benötigen Benutzer, die das kombinierte Programm proprietär machen wollen, eine gesonderte Erlaubnis. Nur der Inhaber eines Urheberrechts kann diese erteilen, und der Verkauf von Ausnahmen ist eine Art, dies zu tun. Jemand anderes, der den Quellcode unter der GNU GPL oder einer anderen Lizenz mit Copyleft erhielt, kann keine Ausnahme erteilen.

Als ich zum ersten Mal von der Praxis über den Verkauf von Ausnahmen hörte, fragte ich mich, ob die Praxis ethisch vertretbar sei. Wenn jemand eine Ausnahme kauft, um ein Programm in einem größeren proprietären Programm einzubinden, macht man etwas, das falsch ist (nämlich proprietäre Software). Folgt daraus, dass der Entwickler, der die Ausnahme verkaufte, etwas macht, das auch falsch ist?

Wenn diese Implikation stichhaltig wäre, würde sie auch für die Freigabe desselben Programms unter einer freien Softwarelizenz ohne Copyleft zutreffen, wie der X11-Lizenz. Das ermöglicht ebenso eine solche Einbindung. Also kommen wir entweder zu dem Schluss, dass es falsch ist, alles unter der X11-Lizenz freizugeben ‑ eine Schlussfolgerung, die ich extrem inakzeptabel finde ‑ oder die Implikation abzulehnen. Eine Lizenz ohne Copyleft zu nutzen ist schwach und meist eine schlechtere Wahl, aber es ist nicht falsch.

Mit anderen Worten ermöglicht der Verkauf von Ausnahmen eine begrenzte Einbindung des Quellcodes in proprietäre Software, aber die X11-Lizenz geht sogar noch weiter und ermöglicht die unbegrenzte Nutzung des Quellcodes (und davon modifizierter Versionen) in proprietärer Software. Wenn dies die X11-Lizenz nicht inakzeptabel macht, macht es auch keinen Verkauf von Ausnahmen inakzeptabel.

Es gibt drei Gründe, warum die Free Software Foundation (FSF) den Verkauf von Ausnahmen nicht praktiziert. Einer ist, dass es sie nicht zum Ziel führt: das Sichern der Freiheit für jeden Nutzer unserer Software. Darum haben wir die GNU GPL geschrieben, und der Weg, um dies am Sorgfältigsten zu erreichen, ist die Freigabe unter der GNU GPL, Version 3 oder höher, und nicht die Einbindung in proprietäre Software. Der Verkauf von Ausnahmen würde dies nicht erreichen, ebensowenig die Freigabe unter der X11-Lizenz. Üblicherweise machen wir beide Dinge auch nicht: Wir geben Software ausschließlich unter der GNU GPL frei.

Ein weiterer Grund, warum wir nur unter der GNU GPL freigeben, ist, keine proprietären Erweiterungen zu ermöglichen, die praktische Vorteile gegenüber unseren freien Programmen darstellen würden. Benutzer, für die Freiheit kein Wert hat, können die unfreien Versionen wählen, statt der freien Programme auf denen sie basieren ‑ und verlieren ihre Freiheit. Wir wollen nicht dazu ermutigen.

Es gibt gelegentlich Fälle, in denen wir uns aus bestimmten strategischen Gründen für die Verwendung einer weniger restriktiven Lizenz entscheiden, die für ein bestimmtes Programm für die Sache der Freiheit besser ist. In diesen Fällen geben wir das Programm für jedermann unter dieser freizügigeren Lizenz frei.

Dies ist aufgrund eines anderen ethischen Prinzips, dem die FSF folgt: alle Benutzer gleich zu behandeln. Eine idealistische Kampagne für Freiheit sollte nicht diskriminieren, so ist die FSF entschlossen, allen Benutzern dieselbe Lizenz einzuräumen. Die FSF verkauft niemals Ausnahmen; unabhängig unter welcher Lizenz oder Lizenzen wir ein Programm freigeben, es ist für jeden verfügbar.

Aber wir müssen nicht darauf bestehen, dass Unternehmen dem grundsätzlich folgen. Für ein Unternehmen halte ich den Verkauf von Ausnahmen für akzeptabel und werde es, wo es angebracht ist, empfehlen, da es ein Weg ist, der Programme befreit.