Dieses Werk ist eine Übersetzung aus dem Englischen.

Freie Software verkaufen

In seinem Aufsatz Ausnahmen zur GNU GPL verkaufen geht Richard Stallman (2009) der Frage der Praxis über den Verkauf von Ausnahmen an Freie-Software-Lizenzen nach.


Viele glauben, dass es im Sinne des GNU-Projektes sei, dass man nichts oder zumindest so wenig wie möglich für den Vertrieb von Softwarekopien berechnen solle ‑ gerade genug, um die Kosten zu decken. Das ist ein Missverständnis.

Tatsächlich ermutigen wir diejenigen, die Freie Software weitervertreiben, sogar dazu, so viel Geld zu berechnen wie sie wollen bzw. können. Wenn eine Lizenz Nutzern untersagt Kopien anzufertigen und sie zu verkaufen, handelt es sich um eine unfreie Lizenz. Sollte das überraschend klingen, lesen Sie bitte weiter.

Das Wort frei hat zwei legitime, allgemeine Bedeutungen. Entweder kann es sich auf Freiheit oder den Preis beziehen. Sprechen wir von Freie Software , geht es uns um Freiheit, nicht den Preis (man denke an Redefreiheit, nicht an Freibier). Konkret bedeutet dies, dass ein Nutzer das Programm ausführen, untersuchen, ändern und mit oder ohne Änderungen neu distribuieren darf.

Freie Programme werden manchmal gratis, und manchmal zu einem beträchtlichen Preis vertrieben. Häufig steht dasselbe Programm in beiden Fällen an verschiedenen Orten zur Verfügung. Das Programm ist unabhängig vom Preis frei, weil Nutzer Freiheit bei der Nutzung haben.

Unfreie Programme werden gewöhnlich zu einem hohen Preis verkauft, aber manchmal bekommt man von einem Anbieter auch eine Kopie kostenlos. Das macht es jedoch noch lange nicht zu freier Software. Mit oder ohne einem Preis versehen, das Programm ist unfrei, weil seinen Nutzern Freiheit verweigert wird.

Da Freie Software keine Frage des Preises ist, macht ein niedriger Preis die Software nicht frei oder annähernd frei. Wenn man also Freie-Software-Kopien weitervertreibt, kann man genauso gut einen beträchtlichen Preis berechnen und damit etwas Geld verdienen. Freie Software weiterzuvertreiben ist gut und legitim; macht man es, dann kann man ebenso gut einen Gewinn daraus erwirtschaften.

Freie Software ist ein Gemeinschaftsprojekt, und jedermann, der sich darauf stützt, sollte nach Möglichkeiten suchen, um zum Aufbau der Gemeinschaft beizutragen. Für einen Distributor besteht die Möglichkeit, einen Teil des Gewinns für die Entwicklung an Freie-Software-Projekte oder der Free Software Foundation zukommen zu lassen. Auf diese Weise kann man die Freie-Software-Welt fördern.

Freie Software zu vertreiben ist eine Gelegenheit, Geldmittel für die Entwicklung aufzubringen. Vergeuden Sie sie nicht!

Um Geldmittel bereitstellen zu können, muss man etwas übrig haben. Wenn man einen zu geringen Preis verlangt, hat man nichts mehr übrig, um die Entwicklung zu unterstützen.

Wird ein höherer Vertriebspreis einigen Nutzern schaden?

Einige befürchten manchmal, dass ein hoher Vertriebspreis Freie Software unerschwinglich für Nutzer machen wird, die nicht viel Geld haben. Bei proprietärer Software verursacht ein hoher Preis genau das ‑ aber Freie Software ist anders.

Der Unterschied besteht darin, dass Freie Software naturgemäß dazu neigt sich zu verbreiten, und es gibt viele Möglichkeiten, sie zu bekommen.

Software-Hamsterer versuchen ihr Möglichstes, um einen davon abzuhalten ein proprietäres Programm auszuführen, ohne den üblichen Preis bezahlt zu haben. Ist dieser Preis hoch, macht es das für einige Nutzer sehr schwer, das Programm überhaupt zu benutzen.

Bei freier Software müssen Nutzer den Vertriebspreis nicht bezahlen, um die Software benutzen zu können. Sie können das Programm von einem Freund, der eine Kopie besitzt, oder mit Hilfe eines Freundes, der Zugang zum Internet hat, kopieren. Oder mehrere Nutzer schließen sich zusammen und teilen sich den Preis einer CD-ROM, dann kann jeder reihum die Software installieren. Ein hoher Preis für eine CD-ROM stellt kein großes Hindernis dar, wenn die Software frei ist.

Wird ein höherer Vertriebspreis vor der Verwendung freier Software abschrecken?

Ein weiterer häufiger Einwand bezieht sich auf die Popularität freier Software. Einige denken, dass ein hoher Vertriebspreis die Anzahl der Nutzer reduzieren würde oder ein niedriger Preis aller Voraussicht nach Nutzer anziehen könnte.

Dies trifft auf proprietäre Software zu ‑ aber freie Software ist anders. Mit so vielen Möglichkeiten, Kopien zu erhalten, hat der Vertriebspreis weniger Auswirkung auf die Popularität.

Wie viele Menschen Freie Software auf lange Sicht benutzen wird hauptsächlich davon bestimmt, wie viel Freie Software kann und wie leicht sie zu bedienen ist. Viele Nutzer machen Freiheit nicht zu ihrer Priorität; sie können weiterhin proprietäre Software benutzen, wenn Freie Software nicht alle Aufgaben erledigen kann, die sie damit erledigen wollen. Möchte man also die Anzahl der Nutzer auf lange Sicht erhöhen, sollte man vor allem mehr Freie Software entwickeln.

Der direkteste Weg, dies zu tun, besteht darin, benötigte Freie Software oder Anleitungen selbst zu schreiben. Aber wenn man eher im Vertrieb tätig ist anstatt etwas zu schreiben, kann man am besten durch die Beschaffung von Geldmitteln helfen, damit andere diese schreiben.

Der Ausdruck Software verkaufen kann auch verwirrend sein

Verkaufen bedeutet genau genommen Handel mit Waren gegen Geld. Eine Kopie eines freien Programms zu verkaufen ist legitim, und wir unterstützen es.

Doch wenn man an Software verkaufen denkt, verbindet man damit gewöhnlich die Art, wie es die meisten Unternehmen machen: die Software proprietär machen und eben nicht frei.

Sofern man also nicht sorgfältig differenziert ‑ wie dieser Artikel ‑ empfehlen wir den Ausdruck Software verkaufen besser zu vermeiden und stattdessen eine andere Formulierung zu wählen. Beispielsweise Freie Software gegen ein Entgelt vertreiben ‑ das ist unmissverständlich.

Hohe oder niedrige Preise und die GNU GPL

Mit Ausnahme einer bestimmten Situation beinhaltet die GNU General Public License (GPL) keinerlei Bedingungen darüber, wie viel man für den Vertrieb von Freie-Software-Kopien verlangen kann. Man kann nichts, einen Cent, einen Euro oder eine Milliarde Euro verlangen. Es liegt ganz bei Ihnen und an der Marktsituation, also nicht bei uns beschweren, wenn niemand eine Milliarde Euro für eine Kopie bezahlen will.

Die einzige Ausnahme besteht in dem Fall, in denen Binärdateien ohne den entsprechenden vollständigen Quellcode vertrieben werden. Die Beteiligten sind durch die GNU GPL verpflichtet, den Quellcode auf weitere Anfrage bereitzustellen. Ohne eine Begrenzung des Preises für den Quellcode wäre es ihnen möglich einen Preis festzulegen, der für jedermann zu hoch zu bezahlen wäre ‑ wie eine Milliarde Euro ‑  und somit vorgeben den Quellcode freizugeben, obwohl sie ihn in Wahrheit verbergen. Darum müssen wir in diesem Fall den Preis für den Quellcode begrenzen, um die Freiheit der Nutzer zu gewährleisten. In alltäglichen Situationen gibt es allerdings keine solche Rechtfertigung den Vertriebspreis zu begrenzen, also begrenzen wir ihn nicht.

Manchmal treten Unternehmen, deren Aktivitäten die in der GNU GPL angegebenen Grenze überschreiten, mit der Bitte um Erlaubnis an uns heran, die besagt, dass sie kein Geld für GNU-Software berechnen oder ähnliches. Damit kann man mit uns keinen Blumentopf gewinnen. Bei freier Software geht es um Freiheit, und die Durchsetzung der GPL bedeutet Freiheit verteidigen. Wenn wir die Freiheit von Nutzern verteidigen, lassen wir uns nicht von solchen Nebensächlichkeiten wie etwa wie viel als Vertriebspreis berechnet wird ablenken. Es geht um Freiheit, einzig und allein.